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driven by exception

KIA EV6 AWD GT – Mal schnell um´s Eck

Na klar, schneller, stärker und imposanter geht immer. KIA hat seinen sehr guten EV6 mal mit zwei Buchstaben versehen. GT kann für „lange Reise“ stehen. Oder für „sehr schnelle Reise“. 585 PS unter Strom, faszinierend und irgendwie auch zum Kopfschütteln. 


Anno 2022

Wir fuhren im Jahr 2021 den EV6. Den normalen, den bodenständigen, den schicken und den praktischen KIA mit E-Antrieb. Und jetzt, ein Jahr später, den sehr schnellen, sehr starken und sehr dynamischen EV6 GT. 


Man läuft schon ein paar Mal um diesen Wagen herum und bleibt beim Heck immer wieder hängen. Das Leuchtband auf dem Hintern ist der Fixpunkt, der Eyecatcher. Darunter die Chromspange mit den LEDs an den Seiten. Es wirkt. Weil anders, ausdrucksstark, modern und klar in seiner Aussage. Elektroautos müssen nicht zwangsläufig aussehen, als hätte die Designabteilung kollektiv den Dienst verweigert. Surrende Brillenetuis gibt´schon genug. 


Gut sieht er aus, sehr gut sogar. Abgesehen von seiner Schokoladenseite, dem Hintern, glänzt dieser Koreaner mit einer kräftig konturierten Motorhaube, den auffällig langen und schlanken Frontleuchten und als Verbindung der beiden eine sehr schlanke Andeutung einer Kühlermaske. Den bulligen hinteren Radhäusern und dann sind da noch die Dach- und Schulterlinie, die sich am Ende des Wagens treffen. Das Ganze wirkt weder aufgesetzt noch zu provokativ. Und wir sind sicher, dass allein die Ästhetik etliche Menschen zum Hyundai-Händler führen wird. Uns gefällt er. Was uns nicht gefällt, ist der Name oder die Bezeichnung. EV6, das steht für Electric Vehicle und es klingt wie ein Formular aus dem Fundus deutscher Finanzbehörden. 


Im Inneren treffen Leichtbau und digitale Technik aufeinander. Das lange Monitorband passt sauber ins Bild, die Mittelkonsole schwebt über den Dingen, darunter ist Raum für allerlei Sachen, die man schnell hinlegt und wieder aufnimmt. Ein paar Knöpfe und Regler kennen wir aus anderen Hyundai-Modellen. Im Grunde findet man sich auch schnell zurecht, wenn man die korenanische Marke nur aus Erzählungen oder dem Straßenbild kennt. 


Wir werfen die beiden Maschinen an, eine vorn, die zweite hinten. Beide laufen natürlich synchron, zusammen stehen 585 PS zur Verfügung und die sind, welch´ Überraschung sofort unterwegs. Aus dem Stand könnte man jetzt den EV6 fliegen lassen. Was wir hier unten im Umland von Marbella nicht tun. Aus zwei Gründen: die spanische Polizei geht recht streng mit Temposündern um und wir wollen die Reichweite des jüngsten Hyundai austesten und das Ergebnis würde zu sehr unter pubertären Anwandlungen leiden. Wir hätten gerne den Rekuperationsgrad auf höchster Stufe erlebt, aber der EV6 regelt die Rückgewinnung der Energie lieber selbst. Vermutlich haben die Koreaner gelernt, dass der Mensch lieber weniger reguliert und dafür mehr tankt.


A pro pos tanken. Der EV6 ist ein Schnelllader. 800 Volt-Technologie und das meint, dass, eine entsprechende Ladestelle vorausgesetzt, dieser Hyundai in nullkommanix voll geladen ist. 225 kW können fliessen und dann werden in 18 Minuten aus zehn Prozent Reichweite stolze 80 Prozent. 


Die Sitze sind bequem und reichlich verstellbar, alles im Innenraum fühlt sich so an wie es aussieht. Sehr hochwertig, sehr, sehr gut verarbeitet. Das Lenkrad mag die Hände und umgekehrt. Wir sehen in alle Himmelsrichtungen sehr gut, der Luftlenker auf dem Dach stört ein wenig. 


Abfahrt aus dem Hotelhof, im Modus „Eco“, der Strombehälter ist bis zum Anschlag gefüllt. Das Display vor dem Volant nennt eine Zahl. 430 plus zwei Buchstaben. KM. Wir kennen jetzt unser Ziel und das wird nicht auf der Navikarte des goßen Monitor oder im HeadUpDisplay angezeigt. Obwohl das mal eine Idee wäre. „Auto, berechne mir eine Rundstrecke, die exakt 430 Kilometer lang ist und an deren Ende ein Schnellader steht. Den letzten Kilometer legen wir als Reserve ins Handschuhfach.


Unterwegs treffen wir ganz schnell auf den ersten Stromfresser. Wir selbst. Eine schöne lange Gerade, wie eine Startbahn. Perfekt für den Standardsprint. Zack. Die ersten Meter wie in der Achterbahn und dann, nach 3,5 Sekunden, handgestoppt, die 100. Wow. Oder auch nicht, weil es mittlerweile jede Menge rollende Elektriker gibt, die den Lamborghini geben. Nur nicht so laut. 


Wieder im Tal der Vernunft angelangt. Den Asiaten mit dem schönen Heck rollen lassen, irgendwie immer öfter den Fuß vom Gas, Rekuperation sei dank, der Akku erholt sich wieder von den 3,5 Schrecksekunden. Es gilt das Gebot der inneren Ruhe und deren Transfer auf´s Gaspedal. Es gelingt und wir lernen, wieder einmal, dass E-Mobilität eben auch Nahrungsmittel in Form von elektrischer Energie zum Leben braucht. Der EV6 GT ist allerdings kein Kostverächter. Mehr als 21,0 kW soll er brauchen, wir schreiben von-bis, weil, wie gesagt, Stromfresser. 


Die Zahl schrumpft, der Hyundai wirkt unterfordert. 585 PS, eine nahezu perfekte Balance des Wagens, ein sehr knackig eingestelltes Fahrwerk, der permanent Allradantrieb, die 740 Newtonmeter. Du rollst dahin und spürst, dass dein Kumpel unbedingt noch von der Leine will. Spielen, rennen, um Ecken flitzen. Und du weisst, dass ein wenig Lust auf Spaß die 21 schnell in eine 25 mutieren läßt. Aber erst muss die Frage nach der echten Reichweite geklärt werden. Also Yoga auf vier Rädern, der Gasfuß spielt mit plus das große Organ ganz weit oben im Kopf. So rollt und schlendert unser Koreaner durch die Gegend, er nimmt sich die Energie aus beiden Lagern, und solange der Mensch nicht allzu aufdringlich dem Gaspedal auf die Pelle rückt, bleiben die Verbrauchswerte beider Motoren auf einem erträglichen Level. 


Der Reichweitenpegel senkt sich gen 100 Kilometer. 70 haben wir noch bis zum Hotel und wir wissen aus Erfahrung, dass es Stromverbraucher gibt, die man nicht auf der Uhr hat. Klimaanlagen, Soundsysteme, Kühlschränke, Mikrowellen, Toaster und so weiter. Zum Glück ist unser Testwagen keine rollende Kantine, wir lassen ihn rekuperieren, wir lassen ihn rollen und sanft über die Ziellinie gleiten und lesen im Tageskilometerzähler: 399. Und wir könnten noch 36 Kilometer fahren. Macht zusammen: 435 Kilometer. Wir loben den Gasfuß und die Leute bei Hyundai, die den Energie-Hunger dieses Viertürers ganz schön gezügelt haben. 


Ein klitzekleines Fazit. Mit Hyundai und KIA haben sich zwei Hersteller auf dem Markt der E-Mobilität etabliert, die mittlerweile Benchmark sind. Die Kombination aus Ästhetik, routinierter Technik und dieses Maß an Qualität der Verarbeitung ist derzeit wohl maßgebend. 


Nachtrag:

Den EV6 gibt es natürlich auch ein wenig sparsamer. Mit Heckantrieb, 170 PS oder Allrad mit 325 Pferden. Dann liegt die maximale Reichweite bei gleichem Akku bei 528 oder 506 Kilometern. Die Preise sind natürlich auch schlanker: ab 46.990,00 Euro werden dann verlangt. 

 

Fotos: KIA



KIA EV6 GT

Motor: 2 E-Motoren (vorn/hinten)

Gesamtleistung: 430 kW / 585 PS 

Drehmoment: 740 Nm 


Maße: 

Länge: 4.695 mm

Breite ohne Spiegel: 1.890 mm

Höhe: 1.550 mm

Radstand: 2.900 mm

Leergewicht: 2.260 kg

Ladevolumen: 490 bis 1.300 l




Antrieb: Allrad

Akku: 77,4 kWh




Fahrleistungen/Verbrauch/Co2:

Top Speed: 260 km/h

0-100 km/h: 3,5 s

Reichweite (WLTP): 424 km 

Verbrauch (WLTP) kombiniert: 21,9 kWh/100 km





Preis in Deutschland ab: 72.990,00 Euro