driven by exception

Fahrbericht Renault Alpine A110

Da ist erstmal das Gewicht. Die Waage pendelt sich bei knapp über 1.000 Kilo ein. Zwei Erwachsene nehmen Platz und steigern das Gewicht um 15 Prozent. Wir machen das mal mit einem durchschnittlichen Auto. 1.600 Kilo plus 15 Prozent macht: 1.840. 240 Kilo oder zwei Erwachsene, die jeweils 120 Kilo auf die Waage brächten. Das gleiche Spiel mit einem E-SUV und wir sprechen von Adipositas. Und in der Alpina müsste man nicht mehr über eine Tieferlegung nachdenken, eher über größere Türen plus Sitzbank. 

Im Ernst. Dieser Franzose ist ein Beispiel dafür, dass man einen echten Sportwagen ohne einen Druidentrank rank und schlank zusammenbauen kann. Und er ist schnell, ohne gigantische Turboschaufeln oder mindestens sechs Zylinder. Noch nicht mal 1,8 Liter Hubraum aus denen dann 252 PS und 320 Newtonmeter gewonnen werden. Dazu Heckantrieb und ein sehr präzises und schnelles Getriebe. Fast ist er fertig. Im Innenraum sollten es dann noch zwei bequeme und mit ordentlich Seitenhalt ausgestattete Sitze sein, auf dass der Mensch mitsamt Hintern nicht kreuz und quer durch die kleine Kabine fliegt und das sehr gute Lenkrad nicht als Haltegriff missbraucht wird.


Jetzt brauchen wir noch ein Fahrwerk welches nicht gleich jede Zahnfüllung in den Wahnsinn treibt und zwei Paar Reifen, die den Begriff Traktion zum Grundnahrungsmittel erklärt haben. Et voila, eine Renault Alpine. Vergessen haben wir natürlich nicht das Thema Historique. Der Name Alpine mag den ein oder anderen Corona-Heimwerker an seinen Einkaufszettel erinnern, wir denken dabei natürlich an Jean Rédélé, ja wir haben drei accents gesetzt. Jener Herr aus Dieppe in Frankreich fuhr erfolgreich in den 50ern Rennen und 1955 gründete er die Firma Alpine, in der dann den gleichnamigen Sportwagen gebaut wurde. 1973 griff Renault nach dem kleinen Hersteller, der den kleinen Zweisitzer auch weiter baute. Im Jahre 2012 wurde die Hälfte der Firma verkauft. Nach England zu Caterham. Zwei Jahre später kaufte Renault die 50 Prozent wieder zurück, man wollte die Alpine noch mal neu entwickeln und bauen. 2017 war es dann soweit. Auf dem Genfer Salon war der Sportler zu sehen und wenig später war er dann auch auf unseren Straßen unterwegs. 


Und jetzt sitzen wir drin. Die Farbe: Alpine Blau. Die Alpine wurde uns per Transporter geschickt und noch bevor der Franzose einen Ton von sich gibt, steht der Zweitürer mitten im Interesse der umstehenden Nachbarschaft. Die Alpine ist ein rares Gut, selten und ästhetisch ungewöhnlich.


Mitten in Hamburg, Ampel-Sprünge, zum Glück Automatik. Jeder Stopp eine kleine Lektion in Sachen Alpine-Bedienung. Wobei die Entwickler des Wagens jede Form von Komplexität im Reich der Bedienknöpfe vermieden haben. Selbst das Volant glänzt mit weniger und der Rote unten rechts ist der Spaßknopf. Wer darauf drückt, lockt den echten Sportler aus der Alpine. Vorher allerdings gilt das Prinzip der leisen Annäherung. Im Komfortmodus durch die Stadt und unser Franzose zeigt sich von der charmanten, ruhigen Seite. Das Getriebe schaltet spät und sehr weich, Lenkung und Bremsen nötigen uns keine große Mühe ab, der Wagen scheint zufrieden und die Insassen fühlen sich wohl. Stress, auf welche Art auch immer ist kein Thema. So kann man täglich den Haus-Büro-Haus-Trip absolvieren. Shopping ist nicht ihr Ding, die Alpine steht offenbar auf das derzeit so populäre Klick-Lieferding. Zwei Erwachsene passen rein, plus Handgepäck, den Rest gibt man auf. 


Abseits der Stadt, dort wo runde Schilder mit oft dreistelligen Zahlen am Straßenrand stehen, dort legt die Alpine dann ihre komfortable Ruhe ab, vorausgesetzt man drückt den runden, roten Knopf unten am Volant. Dann sind Dinge wie Shopping, Büro, Ampeln und die Frage nach dem besten Song aus dem digitalen Schaufenster auf der Mittelkonsole nicht mehr wichtig. Vielmehr geht es um die beste Sitzposition, beide Hände am Steuer, drei Uhr, neun Uhr. Und es geht um Kurven. Lange, kurze, offene, geschlossene und so weiter. Die ganze Abteilung Technik, Traktion und Antrieb kümmert sich besonders gern um Kurven. Und wenn der Mensch am Steuer auch noch Kurven mag und kann, dann, ja dann legt die Alpine so richtig los. 


Die Karosse aus Alu, der kleine Vierzylinder hinten quer eingebaut. Dazu ein Doppelkupplungsgetriebe und die Alpine ist mit ihrer zierlichen Figur so wendig, wie ein Wiesel, vor allem wenn man kurz vorher mit einem fetten SUV-Coupé unterwegs war. Welten auf Rädern und der blaue Franzose gibt den flinken Sportler. Alles, was der Wagen jetzt macht, ist fokussiert, reine Lust und so weit vom Alltag eines Autos mit Straßenzulassung entfernt, wie nur irgend möglich. Er stürzt sich in jede Biegung, bremst haarscharf ab, läßt sich auf den Zentimeter genau einlenken, positionieren, dirigieren. Am Scheitel dann die Flucht aus der Kurve. Wenn der Asphalt genug Traktion hergibt, der Fahrer den richtigen Moment erwischt und vorab auch den richtigen Gang mit einer Drehzahl von 4.000 Touren erwischt, sind die 320 Newtonmeter zur Stelle und der Zweitürer rennt los, als gelte es den Kontrahenten des Rennens noch einzuholen. Die Zielflagge lockt den Windhund. Und du merkst, dass Sport die Muttersprache der Alpina ist, Komfort spricht die Französin auch, aber eben mit Akzent. So eine Mischung aus Englisch und Französisch. Bonjour Sir. 


Sie rennt raus, rein, dazwischen Luftholen für´s Fahrwerk, die Bremse, den Fahrer. Der Sitz hält den Rücken gerade, die Physik das Essen im Magen, die Lust den Gasfuß. Und die Lust wird mit jeder Kurve erwachsener. Sie lernt dazu, der Wagen zeigt, was er kann oder besser, was er könnte, denn des Fahrers Kompetenz hat Grenzen, die der Wagen lächelnd zur Kenntnis nimmt. Nach etlichen Biegungen, mal schnell, mal schneller, reiten wir in die Stadt. Lässig, fast arrogant. Die Alpine stolziert ein wenig, weil sie sich ihrer Einzigartigkeit bewußt ist. Ob Jean das gewollt hat? Wohl kaum. Aber Marketing ist ein mächtig Schwert, wenn Historie zum Markenzeichen wird. 


Die Alpine steht wieder im Stall. Reifen und Bremsen erzählen sich Geschichten von unerwarteten Manövern, hastigen Fußabdrücken auf beiden Pedalen. Das Getriebe hört zu, lehnt sich zurück, erinnert sich an unlogische Eingriffe, korrigierte sie ein ums andere Mal. Der Rest schweigt und vergisst. Norddeutschland hat Kurven aber keine Berge, der Motor durfte drehen, hoch drehen, die Reifen blieben weitestgehend verschont, weil Abfahrten mit heftigen, langen Bremsmanövern ausblieben. Die Alpine rollte aus und blieb irgendwann stehen. Im Stall. 


Unser Fazit ist kurz und schmerzlos. Die Alpine ist ein wunderbares, lebendiges Ding. Mit dem Hauch von Lifestyle und einer Wucht an Dynamik, die man mit noch viel Pferdestärken nicht besser machen könnte. Klar, leicht und präzise. Und dabei so mechanisch wie möglich. Im Grunde ist die Alpine eine Einzelgängerin für Menschen, die das Besondere suchen und fahren wollen. 



Die technischen Daten (laut Hersteller):

Motor: 4-Zylinder Reihe Turbo

Hubraum: 1.798 ccm

Leistung: 185 kW / 252 PS bei 6.000 U/min

Drehmoment: 320 Nm bei 2.000 – 5.000 U/min

Antrieb: Hinterräder

Getriebe: 7-Gang-DKG


Maße: 

Länge: 4.180 mm

Breite: 1798 mm

Höhe: 1.252 mm

Radstand: 2.420 mm

Leergewicht: 1.080 kg

Tank: 45 l



Fahrleistungen/Verbrauch/Co2:

Top Speed: 250 km/h

0-100 km/h: 4,5 s

Verbrauch (NEFZ) kombiniert: 6,1 /100 km

CO2 (NEFZ) kombiniert: 138 g/km