
14 Jun Veritas RS III
driven by exception
Nürburg im August 2008
Dieser Veritas ist ein ungewöhnlich interessantes Automobil. Die Form hat organische Züge, die Stimme rauh und klar wie die eines wütenden Mannes und der Auftritt ähnelt dem einer exotischen, sehr attraktiven Frau.
Ja, wir wissen es. Die Fotos sind sehr, sehr schlecht. Aber anno 2008 stand uns eine digitale Kamera zur Verfügung, die von Kameras der Generation 2023 ausgelacht werden.
Mittwoch Nachmittag, zwei Tage bevor der AVD Oldtimer Grand Prix den Nürburgring mit automobilen Ikonen füllen wird, warten wir auf eine neue Legende. Den Veritas RS III, die Wiedergeburt eines Mythos, der in den Fünfzigern nahezu jedes wichtige Rennen gewann. Wilfried Laufer, Pressesprecher der Vermot AG, bringt den spektakulären Supersportwagen zum Ring. Für Exclusive-Life ein besonderer Termin. Wir sind die ersten Journalisten, die den Veritas hautnah erleben werden.
Gegen 17.30 Uhr rollen die knapp 1.050 Kilo Karbon, Rohrrahmen und natürlich der V8-Motor vor den Haupteingang zum alten Fahrerlager. Da steht er nun. Gut viereinhalb Meter lang, zwei Meter breit und flacher als so ziemlich jeder Sportwagen, den wir bisher zu Gesicht bekommen haben. Unfotografiert bleibt der Renner keine Sekunde. Erstens, weil der RS III ein absolute Rarität ist und zweitens, weil er derart spektakulär daher kommt. Soviel Exklusivität und Souveränität bietet zur Zeit kein anderer Hersteller weltweit.
Viel Zeit zum Staunen bleibt nicht, der Supersportler will gefahren werden. Einsteigen durch die zwei Luken, Fahrer und Beifahrer sitzen gut 40 Zentimeter voneinander getrennt. Laufer steigt lässig aus, der 1,95-Mann passt locker hinter das Steuer des 480-PS-Renners. "Die Sitze sind fest montiert, die Anpassung an den Fahrer nehmen wir über die Pedale vor." Auf dem Beifahrersitz liegt ein Helm, das wichtigste Utensil bei Geschwindigkeiten jenseits der 150 km/h. Wie beim echten Roadster, fehlen Seitenscheiben, Verdeck und Windschutzscheibe. Die winzigen Scheibchen vor Fahrer und Beifahrer sind bei Landstraßentempo noch brauchbar, bei höherem Tempo aber ist das Visier des Helmes vor den Augen extrem wichtig.
Jetzt also die ersten Meter. Die beiden riesigen Endrohre über dem Schriftzug "Veritas" lassen erahnen, was gleich passiert. V8 Plus. Wer einen 5-Liter-Motor mit ähnlich viel Kraft bereits erlebt hat, kann sich vorstellen, was der Motor mit einer extrem leichten Karbon-Hülle veranstaltet. Der Veritas wiegt knapp 1.050 Kilogramm, der bärenstarke Motor hat also im Vergleich zu anderen Supersportwagen extrem wenig Gewicht zu tragen. Das allein sorgt schon für extreme Beschleunigungswerte. Der nagelneue Renner schießt los, wie ein Pfeil aus Robin Hoods Bogen. Erstaunlich: Der Veritas RS III ist nicht nur schnell sondern auch extrem steif. Das Team der Vermoth AG hat ganze Arbeit geleistet.
Die ersten Eifel-Kurven rund um die Grand Prix Strecke werden noch sittsam und im Rahmen aller Verkehrsregeln absolviert. Der Veritas bewegt nicht nur seine Insassen, zahlreiche Handykameras werden aktiv. Jetzt ist die Ruhe vorbei. Ein kurzer Druck aufs Gaspedal, die Endrohre füllen sich mit Abgasen und stoßen sie mit Wucht und entsprechender Akustik wieder aus. Der Sound ist überwältigend. Die Beschleunigung presst uns in die Rückenlehne. Die ersten schnellen Kurven prüfen die Reifen und die Aufhängung. Das Fahrwerk passt perfekt zum Auto. Der Veritas ist erstaunlich verwindungssteif, die Bremsen packen beherzt und sauber zu. So machen 480 PS richtig Spaß.
Fotosession. Der Veritas steht jetzt neben der Landstraße. Neugierige Autofans fragen nach der Marke, wollen wissen wie viel PS der Renner hat. Daumen werden gereckt, positives Feedback als Bestätigung für eine spannende Idee und ein spektakuläres Projekt. Es fallen Worte wie "mondän", "elegant" oder einfach "extrem". Der Veritas RS III trifft mit seinem exquisiten Design, seiner hochwertigen Innenausstattung und den extremen Leistungswerten mitten ins Schwarze.
Wir entdecken viele Details. Der Powerdome auf der Motorhaube, der Kühlergrill, die Felgen, der Außenspiegel zwischen Fahrer und Beifahrer, die geschwungene Linie am Tankdeckel. Vieles ist reine Handarbeit. "Wir haben viele Elemente der alten Veritas übernommen. Die Historie der Marke Veritas ist ungemein wichtig für uns. Immerhin war der erste Deutsche Formel-1 Rennwagen ein Veritas. Der Deutsche Nachkriegsmotorsport wäre ohne Veritas um ein wichtiges Kapitel ärmer."
Der Mythos Veritas wird wieder in der Eifel gebaut. Mit Technik auf höchstem Niveau, eindrucksvollen Leistungsdaten, spektakulären Formen, exklusiver Ausstattung und sicher vielen Fans.
Juni, 2023. Nachtrag. Das Projekt ist Vergangenheit, wer auch immer die Namensrechte an Veritas hält, hat nicht durchgehalten. Keine Käufer, kein Geld, keine Idee. Was auch immer. Vermutlich werden wir bald oder noch später einen neuen Anlauf erleben. Veritas RS E oder so.
Text: Ralf Bernert
No Comments