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1937 Derby Bentley Le Mans Style – Zwei Welten

Er hat Le Mans nie gesehen, nie den Duft der großen, weiten Welt des Motorsports inhaliert. Dieser Bentley ist ein Sonderling, dessen Hülle man in einer Werkshalle fand und das dann, zehn Jahre später, mit moderner Technik versehen wurde. 80 später erzählt uns dieser Bentley nun seine Geschichte. 

 

Die Welt des Bentley 4 ½ Litre ist die Welt der Rennstrecken, der Le Mans-Sieger, der Bentley Boys und die Welt des Wagemutes auf vier Rädern. Der Vierzylinder unter der mächtigen Haube trieb den Briten zu etlichen Siegen und diente als Basis für den berühmten „Blower Bentley“. 


Die Welt des Bentley 4 ¼ Litre beginnt mit der Übernahme durch Rolls-Royce im Jahr 1931. Mitte der 30er Jahre entdeckte man in einer Lagerhalle diverse Aufbauten des 4 ½ Litre und setzte sie auf das Chassis des 4 ¼ Litre. Fertig war der „Re-Bodied-Bentley“, die Ästhetik des offenen Sportwagens verbunden mit der Technik eines Langstrecken-Läufers, dessen 6-Zylinder-Motor die 150 km/h locker schaffte und das gefühlt stundenlang. It´s touring time.


Aufgesessen, vorher eine Lederkappe aufsetzen, dazu eine riesige Brille auf die Nase, die Wachsjacke ist ein obligatorisches Minimum und ganz zum Schluß wäre da noch der sechs Meter lange, weiße Schal. Wir treiben das Spiel mit der Nostalgie so richtig bunt. Hinter dem Volant, dessen Durchmesser locker als Familienpizza durchgehen kann, fühlt sich der Mensch wie ein Pionier. Digitale Dinge verschwinden aus dem Bewusstsein, die Mechanik erobert Kopf und Muskulatur. 


Bevor sich dieser Gigant der Vergangenheit auch nur einen Millimeter bewegt, sind etliche Handgriffe notwendig. Am Lenkrad müssen zwei kleine Hebel in die richtige Position gesetzt werden. Einer für die korrekte Einstellung der Zündung, der andere für die optimale Mischung aus Luft und Benzin. Der Handbremshebel sitzt ausserhalb der Fahrertür, jeder Gangwechsel wird zur Prüfung der eigenen Motorik in Verbindung mit dem Rhythmusgefühl. Synchronisation war heute, zweimal Kuppeln und Zwischengas erobern die Füsse. Wer das nicht kann, muss es schnell lernen, denn Metall auf Metall erzeugt emotionale Regungen, die man dem Eigner dieses Gefährtes kilometerweit ansieht. Schön ist das nicht. 


Nach ein paar Kilometern kann man sich dann wie ein Bentley-Boy fühlen. Die Bentley-Boys, offiziell 16 junge Männer, rasten Ende der 20er mit Dreck-verschmierten Gesichtern in die Geschichtsbücher. Sie hielten mit ihren Vermögen Bentley finanziell über Wasser, sie siegten in Le Mans und fuhren beim anschließenden Sieger-Banquett mit ihrem Rennwagen mitten in den großen Saal des Savoy-Hotels in London. Der Champagner floss in Strömen und wann immer man einen Bentley dieser Ära erblickt, werden die Bilder im Kopf lebendig.



Derby Bentley 4 ¼ Litre Vanden Plus Le Mans Style Open Tourer

erste Zulassung: 04.03.1937

Motor: 6 Zylinder Reihe

Hubraum: 4.257 ccm

Kompression: 6,8 : 1 

SU Doppelvergaser

Leistung: ca. 127 PS / 4.000 U/min

Getriebe: 4-Gang Handschalter mit Overdrive 3. und 4. Gang synchronisiert

Leergewicht: 1.450 Kg

Länge: 4.600 mm

Radstand: 4.190 mm

Räder: 21´ 

Tank: 115 l

Fahrleistung: 141 km/h

derzeitiger Wert: ca. 300.000 Euro

Was für die Jungs von damals ein Spiel mit der Schwerkraft und blankem Metall war, ist heute Ritt auf der Kanonenkugel.

Reiche Jungs und ihre Spielzeuge und genau das zeichnet auch unserem Briten aus. Landschaften verwandeln sich in Kulissen, jede Kurve ist eine Herausforderung im positivsten Sinne. Die fast 1,5 Tonnen Gewicht stemmen sich die Physik, da ist nicht ein Hauch von technischer Unterstützung. Mensch und Maschine treffen sich zu einem Happening. Hinterradlenkung, Traktionskontrolle, Luftfederung und so weiter. Egal, was man heutzutage in einem Bentley so braucht, Schnickschnack. Die Unterarme melden sich irgendwann mit leichten Signalen. Das Ungewohnte tritt auf den Plan. Je enger die Kurve, desto härter die Arbeit. Die Bremsen kennen keine Verzögerung der Jetzt-Zeit. Nie war ausreichend Abstand zum Vordermann wichtiger. Was für die Jungs von damals ein Spiel mit der Schwerkraft und blankem Metall war, ist heute Ritt auf der Kanonenkugel. Und der weiße Schal weht wie ein Kometenschweif durch die Luft. 


Nach gut zwei Stunden Ausflug in die Steinzeit des Automobils rollt der Bentley zurück auf den Parkplatz. Eine kleine, sehr aufmerksame Gruppe nimmt Aufstellung und beobachtet den Fahrer bei seiner Abschlussarbeit. Einparken, Rangieren. Im Schritttempo vor und zurück. Das Volant stemmt sich gegen jeden Zentimeter wie ein störrischer Esel. Der Kupplungsfuß verrichtet Millimeterarbeit, Gas und Bremse sind wichtige Teile dieses Spiels. Man dirigiert einen Veteran aus zwei Welten und das mit der Kompetenz des Smartphone-Users. Spannender geht es kaum.


Fotos: Ralf Bernert