004 Bond-Cars – Im Angesicht des DB5

Kann man in einem DB5 Silver Birch völlig entspannt auf einer Rennstrecke umher fahren? Ist der Blick in den Rückspiegel obligatorisch oder schwebt der Zeigefinger der linken Hand ständig über irgendeinem Knopf. Schleudersitz, rotierende Gewehrläufe, Ölablass, Schutzwand am Heck gegen Kugeln und so weiter? Wir haben das mal ausprobiert. 

 

Solche Anrufe mag man. Nach Silverstone fliegen und die Bond-Flotte, welche im nächsten Film unterwegs sein wird, mal ausprobieren. Inklusive Stunt-Car. Da wären: DB5, DB5 Stuntcar, V8, DBS Superleggera und Valhalla.


Die Liste ist ungewöhnlich lang. Noch nie waren derart viele Aston Martin in einem Film unterwegs. Im Normalfall sieht man den DB5 und der Hauptdarsteller ist ein besonderer Aston. So zumindest lief das in den letzten Bond-Filmen ab. Diesmal steht oder besser fährt und ballert der Klassiker DB5 im Fokus des nächsten Filmes mit dem Titel „No time to die“. Zur Handlung schreiben wir nichts auf, weil wir nichts wissen. Weltrettung, Gadgets ausprobieren, Autorennen, von Brücken springen, Motorrad-Raserei und so weiter. Diesmal sitzen wir aber höchstpersönlich im Kinosessel. Damit wir im richtigen Moment in den Saal rufen können: „Damit bin ich vor ein paar Wochen selbst in Silverstone gefahren!“


Fangen wir mal an. Mit dem V8, also jenem Aston, den Timothy Dalton bewegte oder vom Stuntfahrer bewegen lies. Das Coupé wurde Mitte der 80er gebaut und im Film modifiziert. Es heisst, dass bei den Dreharbeiten verschiedene V8 benutzt wurden. Was nicht wirklich verwunderlich ist, denn Bruch gibt’s immer.


Wir sitzen also rechts, der Handschalter links, die Scheibenwischer sind tot und es nieselt leicht aber beständig. Vorn sollen 280 PS anliegen, der Wagen bringt so rund 1800 Kilo auf die Waage. Man sitzt sehr bequem und die ersten beiden Runden zeigen, dass dieser Bond-Wagen eigentlich kein Spezialist für wilde Verfolgungsrennen sein kann. Er wankt, er hebt das Beinchen, der V8 braucht, logisch, Drehzahlen und die Bahn wird nicht trockner. So kommt es dann zum Tanz des Hinterns, anders ausgedrückt, das Heck will mehr und bewegt sich entsprechend, was die Fahrerei nicht einfacher macht. Es braucht Zeit und Gefühl, die Gänge flutschen dann doch recht einfach rein und raus. Es geht um Rhythmus und Balance. Der schwere Motor vorn drückt ganz ordentlich und schlußendlich kommen wir zu dem Schluss, dass James mit diesem Wagen lieber den Einkauf erledigen sollte oder noch besser im nächsten Film dann den DBX nehmen sollte. Der V8 war kein Verkaufsschlager, sogar der berühmte Aston-Eigner David Brown musste seine Firma zu Zeiten des V8 verkaufen.



Und daneben dann, der Gadget-DB5. Vorn die Knarren, Wechselkennzeichen, hinten die Schutzwand, oben die Dachöffnung wegen den Schleudersitzes. Man erinnert sich an die Filmszene und man hätte so gern gesehen, dass der böse Bösewicht durchs geschlossene Dach geflogen wäre. Nur mal so nebenbei. 

Abstellen und wechseln. Der DBS Superleggera darf ran. Es nieselt immer noch und das ist dem aktuellen Flaggschiff von Aston Martin sowas von egal. Die Reifen greifen zu, Lenkung und Federung arbeiten einwandfrei. Die über 700 PS sind eine Pracht und wir rennen über die Rennstrecke wie ein sehr junges Pferdchen mit der Energie eines Atomkraftwerkes. Nur einmal bockt das gute Stück. Die Nanny namens ESP greift mal kurz ein. Ein Machtwort und der schöne Hintern läuft wieder in der Spur. Wir wären gern zehn oder mehr Runden gefahren, aber der Fuhrpark von James will komplett bewegt werden. Ein DB5 wartet.


Silver Birch, logisch. Vorhin haben wir noch einen dritten und einen vierten DB5 gesehen. Einer ist an beiden Seiten mit Schrammen übersäht. Jedenfalls sieht das so aus. Im Film wird genau das auch suggeriert. In Wirklichkeit klebt eine Folie auf dem Lack und darauf hat man, was auch immer gesprüht. Der Laie sieht natürlich die schöne Haut zerkratzt. Keine Sorge, alles gut.


Und daneben dann, der Gadget-DB5. Vorn die Knarren, Wechselkennzeichen, hinten die Schutzwand, oben die Dachöffnung wegen den Schleudersitzes. Man erinnert sich an die Filmszene und man hätte so gern gesehen, dass der böse Bösewicht durchs geschlossene Dach geflogen wäre. Nur mal so nebenbei. 


Und dann die Tür öffnen, natürlich rechts. Wieder ein Handschalter. Holz, Leder, feiner Stuhl, Teppich. Erstmal vergessen, dass dieser DB5 schon eine Million Euro kosten kann. Ein Original. Serie II. Reihen-Sechszylinder mit vier Liter Hubraum und irgendwas um 280 PS. Es soll damals, Mitte der Sechziger, so um 230 km/h gelaufen sein. Heute läuft nur sehr wenig, was mit dem Wetter und der mangelnden Kompetenz des Fahrer zu tun hat. Das Lenkrad fordert Muskelkraft, die Schaltung ist tricky, weil mit der linken Hand zu bedienen und eben aus den 60ern. Man muss üben und sich erinnern. Synchronisiert ist das Getriebe zwar, aber es passt in der Vorstellung des Bedieners eben besser, wenn man Zwischengas gibt und beim Schalten nach unten, dann doch zweimal kuppelt. Kupplung – Gang raus – Kupplung – Zwischengas- Gang rein. Und das muss wieder rein, in den alten Automtatik-Dickschädel. Aber es läuft dann doch ab der dritten Runde. Der Aston mit der wunderbaren Figur kommt ins Laufen, der Fahrer findet den groove. 


Es geht dabei um Rhythmus, um Ruhe und um Dynamik im richtigen Maß. Der Wagen will schnell gefahren werden, aber nicht im pubertären Stil. Also hektisch, linkisch. Eher rund, ausgewogen. Wie ein Ernährungsplan. Vor allem das richtige Maß. Man spürt dann irgendwann, ob die Bremse diesen Druck noch will oder ob sie sich sträubt. Der Wagen läuft dann nicht mehr, er stolpert. Gute sechs Runden, zum Schluß fast versöhnlich. Rein und raus aus den Schikanen, die Gerade als Parade-Platz. Aus dem Zweiten, fast voll ausgedreht, in den Dritten, kurz vor dem Ende hinein bremsen, nicht zu tief, dann in den Zweiten, Zwischengas auch als Fanfare. Wunderbar. Connery hatte vermutlich seine Freude. Wenn er den überhaupt fahren durfte, der Sicherheit und des Geldes wegen. Die Versicherungen mögen das nicht und die Produktionsfirmen auch nicht. Wir schon.


Der Stuntwagen steht da. Mit Käfig, leichten und sehr harten Schalensitzen. Dazwischen ein Kasten mit dem Start-Prozedere-Gedöns. Hauptschalter für den Strom, Notaus-Knopf in Rot und dem Anlasserknopf. Ein Rallyecross-Wagen auf dem Kostümfest. Die Hülle aus Verbundstoff. Modernes Rennfahrwerk, starke Bremsen, eben alles, was man beim Dreh so braucht. Mark Higgins, der Stuntfahrer, steht sehr lässig in der Box und schaut sich an, was wir Journalisten so mit seinem Arbeitsgerät anfangen. Der optische DB5 ist so ganz anders als das Original. Drei Stück werden beim Dreh eingesetzt. Den Preis nennt er nicht. Aber wir wissen, dass dieser Wagen ein Sonderling ist und dass wir umdenken müssen.


Erstmal in den Käfig krabbeln. Mit Ende 50 nicht leicht, mit 180 cm und einer halbwegs schlanken Figur doch machbar. Dann die Maschine anwerfen, den Sitz nach vorn ziehen, Dreipunktgurt anlegen. Handschalter. Gang rein und los. 300 echte PS, Heckantrieb und endlich eine trockene Bahn.


Das Wort Motorsport taucht vor dem geistigen Auge auf. Der Wagen wiegt so um 1000 Kilo. Rein in die erste Runde. Gleich zu aggressiv, fast raus und ein Kollege meint später, er sei aufs Green gerutscht, weil zu hektisch, zu übermütig. Schwein gehabt, eingefangen, weiter in die erste Schikane, am Ende eine 90-Grad-Kurve mit viel Platz. Ganz aussen angesetzt, einbremsen, einlenken, Gas am Scheitel, vorher in den Zweiten, der V6 brüllt los bis auf 5000 Touren, dann auf die lange Gerade, in den Dritten fast 6000 Touren und das Ding rennt wie ein Sportler auf den letzten Metern vor dem Zielband mit einer Meute an Kollegen im Genick. Wieder eine Schikane. Rechts, links, ein wenig mit Steigung, dann eine lange Links, offen und wieder eine Gerade. Auslauf für einen Windhund im feinen, italienischen Maßanzug. Der Stuntwagen ist eher ein Terrier. Mit Jagdinstinkt und Ausdauer. Nach sieben Runden, raus aus dem Käfig und Mark fragen, was ihm besonders viel Freude macht. „Wenn der Wagen heilt bleibt und meine Knochen“. Stuntleute sind Perfektionisten.


Und dann steht da Valhalla. Allein, unberührt und doch regelmäßig umrundet. Dieses merkwürdige, futuristische Auto mit der Kuppel, dem bis auf den letzten Platz mit Knöpfen vollgestopfte Lenkrad. Unter der Hülle lauert ein Mittelmotor, V6 plus E-Antrieb. 1.000 PS und eine Million der Preis. Unnahbar, unerreichbar für viele Menschen. Er wird im neuen Bond-Film zu sehen sein. Nicht fahren, so wie heute für uns. Ein Mythos. Noch. 2021 wird er an erste Kunden ausgeliefert. Wer Interesse hat, meldet sich bei Aston Martin. 


Fotos: Max Earey für Aston Martin