Exclusive-Life

driven by exception

Fahrbericht Lamborghini Huracán Evo Spider

Ja, er bläst, dass es einem die Mütze vom Kopf reisst. 640 Pferdchen in Bodennähe, plus einer Stimme, die man nicht vergisst. Dieser Lamborghini ist ein Quell der Freude, so man denn Tieffliegen zu seinen Hobbys zählt. Wir unternahmen einen Testflug. 

 

Die Klappe hoch, der Knopf zuckt in freudiger Erwartung. Nein, es öffnet sich keine Klappe und heraus schiesst eine Rakete. Zehn Kolben in zehn Zylindern werden mit Nahrung versorgt. Sie gieren nach diesem Gemisch aus Benzin und Luft, wie ein Rudel hungriger Wölfe. Nur, dass diese zehn Kollegen fein in V-Formation geordnet warten. Bis die ausgeklügelte Technik das Gemisch in zehn Töpfen bereit stellt und das Spektakel seinen Lauf nimmt. Es knurrt, es brüllt, es vibriert und es fordert. Die Paddel ziehen und das Gaspedal erstmal gaaanz sachte kitzeln. Man weiß ja nie. 


17 zarte Sekunden dauert es, dann ist das Stoffdach verschwunden, auch bei Tempo 50. Der V10 Sauger ist jetzt noch näher an den Ohren, ein Openair Konzert sozusagen. Wenn einem das Haupthaar oder der Lieblingshut am Herzen liegt, läßt den Deckel drauf und drückt den „Heckscheibe-Runter-Knopf“ und das Orchester spielt sein Lied durch den offenen, breiten Briefschlitz. Das wäre dann ein „Fast-Openair-Konzert“. Aber immerhin. Die beiden Endrohre der neuen Abgasanlage sitzen etwas höher, sozusagen in Hörweite zum Rückfenster. 


Den Huracán haben wir schon mal bewegt. Vor rund fünf Jahren. Damals noch ohne Hinterradlenkung, ohne diesen Dirigent namens „LDVI“, was übersetzt bedeutet: Lamborghini Dynamik Fahrzeug Ergänzung. Das klingt einen Tick zu bürokratisch, deshalb nennt es Lamborghini auch „Fahrdynamiksystem“, was natürlich deutlich besser klingt. Wir nennen es „blitzschnelles Fahr-Orga-System“ und es tatsächlich blitzschnell. Alles, was in diesem Italiener auch nur entfernt mit Bewegung zu tun hat, wird über ein Zentralhirn überwacht und gesteuert. Auf dass der Zweitürer immer perfekt auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Straßenzustand, Fahrweise, alle möglichen Sensoren erfassen und analysieren alles, was im Auto technisch passiert und daraus erkennt dieser rollende Analyst, worauf es ankommt. Der Wagen weiß deutlich mehr als du, er hortet und bewertet ein ganzes Universum an Daten und liefert dir ein perfekt abgestimmtes Auto. Individuell sozusagen. Und doch weißt du, dass da ungefähr sechstausend klitzekleine Kerle im Lamborghini sitzen und permanent alle möglichen Einstellungen vornehmen, noch bevor du überhaupt weißt, dass es diese Einstellungen gibt. Irgendwie cool und gleichzeitig beängstigend.



Motor: V10

Hubraum: 5.204 ccm

Leistung: 470 kW/ 640 PS

Drehmoment: 600 Nm

Getriebe: 7-Gang DKG

Antrieb: Allrad



Radstand: 2.620 mm

Leergewicht: 1.542 kg


Fahrleistungen/Verbrauch:

0 – 100 km/h: 3,1 s

Top Speed: 320 km/h

Verbrauch kombiniert WLTP: 14,0 l/100 km


Preis in Deutschland: ab 219.585,00 Euro

Die Lenkung ist so konzentriert bei der Sache, wie ein Student in der Examensprüfung. Durchfallen ist tödlich.

Und dann ist da der Motor. Ein V10 Sauger. Ohne künstliche Beatmung. Ein Relikt aus einer Zeit als Benzinverbrauch und CO2-Ausstoß, nur für echte Umweltfreaks interessant waren. Ein Motor, der mittlerweile in manchen Museen steht und der bald die Preise für Gebrauchte mit Sauger in die Höhe schnellen läßt. Luft- versus Wasserkühlung. Und genau deshalb drücken wir den Knopf. Einen Tick länger, andächtig fast. 


Das Feuerwerk direkt hinter uns erreicht beide Achsen, es rollt nach vorn, die Finger der Kerlchen schweben über tausenden Knöpfen. Sie warten ab. Fährt er gleich los, wie ein durchgeknallter Fußballer oder läßt er sich erstmal in diesem offenen Gefährt bewundern. Flaniert durch die Gegend und wartet auf die erste Kurve, die ihm zublinzelt. Irgendwas dazwischen. Man ist neugierig und auch einen Tick gefesselt in diesem Flachmann, der eine Prozession anführen könnte und der schneller ums Eck fliegt, als so ziemlich alles auf diesem Planet. Und das erste Eck schaut uns schon an.


Mit dem Paddel in den Zweiten, ansatzlos runter vom Vierten. Einlenken, unter Zug hinein in die Biegung bis der Scheitel in Sichtweite kommt, das Fahrwerk spielt perfekt mit, läßt zwischen Reifen und Asphalt kein µ. Die Lenkung ist so konzentriert bei der Sache, wie ein Student in der Examensprüfung. Durchfallen ist tödlich. Und da hinten. Es schallt und bebt, am Scheitel öffnet sich die Lenkung fast von selbst, die Kerlchen sind im Dienst, der Spider rennt hinaus,wie ein sehr, sehr junger Hund der einen Hasen gesehen haben will. Fass! ACDC wäre jetzt falsch, weil der V10 einfach ein sturer Hund ist, der wir nicht leiser. Highway to Hell wäre cool. Aber der Finger will nicht. Die Paddel sind die Taktgeber, das V10-TRiebwerk liefert wie das Finanzamt seine Rechnung. 


Immer wieder rein, raus, rein. Geraden dazwischen und irgendwann will der Mensch auch mal wissen, was dieser Stier auf einer sehr langen Geraden ohne Limit so macht. Die A7 kommt gerade ums Eck, lässig, mit diesem Grinsen im Gesicht plus dieses runde Schild in Mausgrau. Der bunte Paradiesvogel aus Sant ´Agata schaut sich kurz um und stürzt sich auf die drei Spuren, las wär das der Eingang zum Paradies. Vorn und hinten fast nix. Freie Bahn und wir erkunden im Huracan die Weiten der norddeutschen Tiefebene. Und es sieht aus, als schöbe jemand die Landschaft im Extremtempo an uns vorbei, plus diesem Mega-Ventilator, der uns jedes einzelne Haar inklusive der Wurzel föhnt. Wir haben doch glatt das Verdeck vergessen. Zu spät, so leer kriegen wir die A7 nie wieder unter die Räder. 200 – 250 – 300 – 320. Luft anhalten, als Erinnerung speichern, aufschreiben und veröffentlichen. Erledigt.


Wir fuhren 320 km/h, was nicht wirklich super-hyper-schnell ist, aber bei „Orkan-der Stufe-20-Windstärke“ legen sich die Ohren freiwillig an, die Nase wird heftig beatmet und vom V10 ist fast nichts mehr zu hören. Was wir spüren ist der eindrucksvoll saubere Geradeauslauf, null Vibrationen am Lenkrad, was auch an der exzellenten Fahrbahn liegt und dann ist da noch die Stahlbremse, die jemand auf der mittleren Spur unbedingt mal testen will. Er springt zu uns rüber, sieht im Rückspiegel dieses flache, blaue, sehr, sehr schnell größer werdende Dings und will wieder zurück auf seine „lieber in der Mitte als rechts oder links Spur“. Zu spät, wir kleben in seinem Rückspiegel wie eine dicke, bunte Fliege, die man sich einhandelt, wenn man sehr schnell rückwärts fährt. Wir bremsen weiter und freuen uns, die stark, ausdauernd und präzise die Bremse arbeitet und schicken gleich noch einen Gruß an unsere kleinen Kerlchen, die bisher einen tadellosen Job abgeliefert haben. 


Die nächste Ausfahrt in die unsere. Wir rollen und flanieren zurück nach Hamburg Altona. In ein Fotostudio, das extra für uns mit dem nagelneuen Lamborghini Countach LPI 800-4 aufgestellt hat. 

Fotos: Lamborghini