Exclusive-Life

driven by exception

Bristol Blenheim 3– Das verlorene Spiel

Ganz oben angekommen, von dort hinab geschaut, ausgesprochen unsanft gelandet und seitdem im Nirvana unterwegs. Irgendwann wird der name Bristol wieder auftauchen, aus der Brieftasche eines vermögenden Menschen. Und wir erinnern uns an eine Begegnung der ungewöhnlichen Art. 

 

Tony Crook, Besitzer und Lenker der Marke Bristol. Anfang des Jahres 2003 am Telefon und irgendwie so ungemein höflich, bestimmt und sehr optimistisch. Die Marken Bentley und Rolls-Royce werden sich noch an die Germans gewöhnen müssen, Jaguar und Land Rover lernten indisch. Aston Martin sprach mit US-Slang und Lotus durfte nach etlichen Versuchen seinen Pflegeeltern in Malaysia huldigen. Haben wir wen vergessen? Na ja, Marcos und TVR gab es noch. Irgendwie. Und eben Bristol. Tony sprach von der „letzten britischen Luxus-Auto-Marke“ und irgendwie war das sogar korrekt. 


Wir flogen nach London und besuchten Bristol. Kensington, die Ecke des großen Geldes. Der einzige Showroom weltweit. Keine Händler, keine Wahl. Wer einen Bristol kaufen wollte, musste hierher. Das Thema Internet interessierte Tony so wenig wie Motorsteuerung, Fliessbänder oder Unternehmenskommunikation. Der Ex-Rennfahrer Crook sprach und das war´s. Ende.


Im Showroom angekommen, zwischen den Exponaten hindurch gezwängt, Tony war nicht vor Ort. Eine Mitarbeiterin führte uns durch das kleine Reich. Ein Blemheim 2, der aktuelle Blenheim 3 und ein Klassiker, der 403. Mehr passte nicht rein. Türen öffnen ginge, aber bitte keine Fotos. Was wir sahen, war eindrucksvoll. Altes Blech in altem Kleid. Ein Blenheim 3 als Botschafter des ästhetischen Stillstandes.


Ein paar Jahre später, in der Schweiz. St. Moritz im Sommer. Das British Classic Car Meeting. Am Straßenrand ein Blenheim 3. Ohne Teilnahme-Schild, ein Zuschauer der besonderen Art. Der Besitzer ein Schweizer, und wir durfen den Briten bewegen.

Motor: V8


Hubraum: 5.898 ccm


Leistung: 256 kW/360 PS


Leergewicht: 1.730 kg


Länge: 4.825 mm


Breite: 1.765 mm


Höhe: 1.440 mm


Radstand: 2.898 mm


Beschleunigung: 0-100 km/h in 6,6 Sekunden


Top Speed: 250 km/h


Preis: 185.000 BP


Preise heute: vielleicht 200.000,00 Euro


Text: Ralf Bernert


Irgendwann war dann Schicht im Schacht

Kurz nur, ein Schnupperkurs in Sachen skurriles auf Rädern. Ein Linkslenker und ein Innenraum, den pure Verzweiflung heimsuchte. Die Suche im Ersatzteillager des Herstellers förderte wohl allerlei Dinge zutage, die dann im Rahmen der Produktion in den Wagen eingebaut wurden. So jedenfalls sah es im Blenheim aus. Es gab Holz, das von wirklich dicken, mit Leder bezogenem, Schaumstoff umrahmt wurde. Schlauchbootlippen konnte man sehen. Botox im Auto? Na klar. Bei dem Preis: 180.000,00 Pfund wollte Tony damals haben. Und bekam sie wohl auch. Von einigen Fans der Marke, bis der Laden abgeschlossen wurde. Einst ein stolzer, sehr erfolgreicher Flugzeug-Hersteller, nach dem Krieg dann, mittels BMW-Kontakt über Frazer-Nash und einigen dunklen Kanälen zu einer Lizenz gekommen und mit dem Bristol 400 sein erstes Automobil präsentiert. 


Und jetzt das vorerst letzte Kapitel. Im Jahr 2007 den Fuß auf ein Pedal gesetzt, den sehr wuchtigen Wahlhebel nach hinten gezogen, bis der Zweitürer nach vorn läuft, dann das sehr dicke Volant umgreifen. Der V8 weiter vorn erhitzt fleissig das Ersatzrad, das vorn links beim Radhaus eingelagert ist, die Batterie wohnt direkt gegenüber. Der 1,8-Tonner rollt los, die Dämmung ist erstklassig und die Kräfte des Motors machen sich deutlich bemerkbar. Dass Tony Crook sein Werk mit denen von Aston Martin, Bentley und Konsorten auf eine Stufe stellte: sehr ambitioniert. 360 PS, ungefähr jedenfalls, sind nicht die Welt, aber sie reichen für sportliche Ausflüge bis 250 km/h, was man auch spürt. Der Brite will und kann zackig nach vorn laufen. Über das Fahrwerk läßt sich nur so viel sagen, dass es straff genug für schnelle Kurven und komfortabel genug für lange Strecken ist. Ein typischer GT. 


Nicht einverstanden sind viele Menschen mit der Ästhetik des Blenheim. Zu sehr in den 70ern hängen geblieben, so sympathisch britische Schrullen auch sein mögen, dieser Wagen parkt standhaft in alten Zeiten, Innen wie Aussen. 


Ein paar Gedanken des Eigners zum schleichenden Niedergang von Bristol sollten sich ein paar Jahre später bewahrheiten. Kein Vertrieb, kein Service, horrende Preise, keine moderne Technik plus ewig klamme Kassen, die das Thema Produktentwicklung nicht wirklich förderten. Irgendwann war dann Schicht im Schacht. Abgeschlossen, der Name und das Recht ihn zu verwenden wanderte in chinesische Taschen. Im Jahr 2020 laß man von Elektrifizierung. Heute: 2024 ist davon nicht spürbar. Wer weiß, ob der Name noch mal auftaucht. 

Fotos/Skizze: Bristol Cars